Arkanum, aus der Werkstatt des Komponisten

Zur Zeit der Romantik liebte man die Doppeltitel. Zwei Wörter, meist beziehungslos nebeneinanderstehend, wurden durch ein unscheinbares «oder» verbunden und erhielten jenes rätselhafte neue Gesicht, das den Leser magisch bannte. Man benützte Doppeltitel im Bereich der Dichtung und der Musik: Stets bildete das blasse «oder» das Vehikel zwischen Widersprüchlichem. Wenn ich das Wort Vehikel brauche, bin ich mir der Ironie bewusst, gebe auch sogleich zu, es von Gottfried Keller bezogen zu haben. Es könnte auch bei Robert Walser vorkommen, der in einer seiner Novelletten, einer seiner verrücktesten, einen Doppeltitel zitiert. In dem Poem über die Dichterin und Schauspielerin Charlotte Birch-Pfeiffer führt er ihn an als den eines ihrer beliebtesten Theaterstücke oder Bonbons. «Das Lorle oder Dorf und Stadt» heisst eines ihrer Rührstücke, von dem ich nicht einmal weiss, ob es wirklich geschrieben wurde oder ob Walser es bei seiner Charakteristik der Unvergleichlichen einfach erfand. Walsers Novellette jedenfalls lese ich in gewissen Abständen mit immer neuem Vergnügen.

Doch nicht über Walser und seine Dichtungen zu schreiben liegt mir ob, vielmehr soll ich über meine eigenen Stücke etwas zum besten geben, und da gerate ich schon beim Titel auf Ab- und Umwege (Walser schreibt zu dem Stück der Birch-Pfeiffer: «Schauspiel in fünf Ab- und Aufzügen»).

Nun muss ich ihn endlich anführen, meinen Doppeltitel. Er lautet: Das Arkanum oder Aus der Werkstatt eines Komponisten. Arcanum ist ein lateinisches Wort und bedeutet soviel als Geheimnis. Wenn ich es hier brauche, dann geschieht es, wiederum, in bewusst ironischem Sinn. Arkanum ist auf die Zubereitung eines Musikwerkes angewandt, so, wie es die Hersteller von Porzellan für ihr kostbares Produkt brauchten. Streng hüteten sie ihr Geheimnis, das Geheimnis der Mischung (schon wieder ein Titel aus der Literatur: wer kennt die Novelle von Storm?). Mit den Herstellern meine ich die Künstler der europäischen Porzellane, die ihrerseits auf langen Umwegen zu der Entdeckung der Mischung kamen, die den Chinesen schon vor Jahrtausenden bekannt war. Von meinen Musikstücken möchte ich nun nicht sagen, sie seien aus Porzellan; sie setzen freilich ein gewisses kunsthandwerkliches Können voraus und, ja, das schon, sie sind auch zerbrechlich.

Diese Zeilen habe ich in Cannes zu schreiben begonnen, an einem schmalen Tischchen sitzend, mit dem Blick auf eine Reihe von Eukalyptusbäumen. Hinter mir wurde vom französischen Radio «Daphnis et Chloé» von Ravel übertragen. Frivol, etwas über Musik und ihre Herstellung schreiben zu wollen und gleichzeitig Ravel anzuhören, der doch die ganze Sammlung verlangt. Ravel, das sei hier sogleich festgehalten, war einer der grössten Kunsthandwerker. Soviel mir erinnerlich ist, hat er sich kaum über den Vorgang des Komponierens geäussert, es sei denn über rein technische Dinge, so, wenn er einen Geiger anfragte, ob eine bestimmte Form des Glissandos möglich sei. 

Inzwischen hat das Tischchen gewechselt; das neue stand in einem Haus der Toskana, mitten in den Weinbergen und mit dem Blick auf die unendlichen sanften Hügelzüge, die sich in der Weite verlieren, und auf deren einem sich Türme und Kuppeln von Siena wie die einer Stadt der Verheissung erheben, fern und doch erreichbar. Über steinige und glatte Schlängelstrassen wurde ich hingefahren, sah wieder die ockergelben und braunen Paläste, sah den Campo und war froh, den Turm des Rathauses nicht erklimmen zu müssen. Die Fassade des weiss-schwarz gestreiften Domes freilich hab ich gemalt, und im dämmrigen Innern wurde mir bewusst, dass diese Architektur Richard Wagner zum Bühnenbild seines Parsifal inspirierte. Also doch Bezüge zwischen Architektur und Musik? Im übrigen macht Arthur Honegger in seinem Buch «Ich bin Komponist» darauf aufmerksam, dass Wagner, der über sich und seine Dichtung unerschöpflich berichtet, über seine Musik nichts aussagt.

Zum dritten Mal hat der Tisch gewechselt. Ich hoffe, an ihm meine Zeilen zu Ende schreiben zu können. Es ist auch die vertraute Maschine, die mir nun zur Hand ist, nicht jene toskanische, deren Typen so verwirrlich anders gelagert sind, und bei der, natürlich, alle Umlaute fehlen. Es gibt sie auch im Italienischen, doch nur im gesprochenen Dialekt, und sie erheiterten mich schon, als ich sie, vor Jahrzehnten, von meinem Bruder ausgesprochen vernahm, der in der merkwürdigen Mailänder Mundart von Nöf und Vüngdes erzählte.

Wann endlich, kann man mich fragen, beginnen Sie die Geheimnisse der Komponistenwerkstatt zu lüften? Ich weiss, ich weiss, ich gehe um den heissen Brei herum wie die Katze, die sich fürchtet. Es ist ein schwieriges Gebiet, ein heikles, und wenn ich mir vorstelle, dass dieser und jener von meinen Kollegen meine Zeilen lesen könnte und sich hohnvoll äusserte, dann finde ich die Worte erst recht nicht. Gesprochen habe ich freilich des öfteren über meine kompositorische Arbeit, vor denkbar verschiedenen Hörern, vor Erwachsenen, vor Schülern, vor Anspruchsvollen wie den Mitgliedern von musikforschenden Gesellschaften, vor den Besuchern von Volkshochschulkursen, vor den Teilnehmern an Musik-Konzentrationswochen, auch im Anschluss an die Generalversammlung des Basler Kammerorchesters, wo ich zu Paul und Maja Sacher, zum Vorstand, zu den Mitgliedern als Freunden und Bekannten sprechen konnte; denn, nicht wahr? es spricht sich leichter, wenn man vertraute Gesichter sieht. Immer aber wieder kommt es vor, dass ganz fremde vor mir sind, und da muss ich denn eine Verbindung suchen und herstellen, wie in der Musik selber, die sich an den Menschen richtet, nicht an ein Abstraktes. Schon oft sind Schüler einer Zürcher Gymnasialklasse bei mir erschienen, und da wurden lauter Fragen gestellt, die zu beantworten nicht einfach war.

Warum komponieren Sie? Wer das so rasch beantworten könnte! Ich möchte keineswegs ein Geheimnis bewahren, suche es im Gegenteil zu lockern und, so weit es möglich ist, in Worte zu fassen. Nur: wieviel von der kompositorischen Arbeit ist bewusst, wieviel ist unbewusst? Das Ineinandergreifen von Unbewusstem und Bewusstem ist wohl der Kern des ganzen Problems, eines vielschichtigen, das umso schwerer auf einen Nenner zu bringen ist, als für jeden Komponisten ein anderes Gesetz gilt. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Das ist das Wesentliche. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Ihn aufzuspüren: das ist das Wichtige, das weder durch ein Buch noch einen Lehrmeister vermittelt werden kann.

 Arthur Honegger überschreibt einen der Abschnitte mit den Wörtern «Dunkel, dunkel» und meint damit jenes unerhellte Gebiet, jenes Rätsel, das jeder auf seine Weise zu entdecken, zu lösen hat. Bedauerlicherweise ist die kleine Schrift, in der unendlich viel Wertvolles steht, im Buchhandel nicht mehr erhältlich. Zu wünschen wäre, dass so Grundlegendes, Gescheites wieder lesbar würde. Es steht im übrigen recht wenig Aufmunterndes darin, so wenig wie in der andern kleinen Schrift, deren französischer Titel «Incantations aux fossiles», deren deutscher «Beschwörungen» lautet. In beiden Büchern kam Honegger auf das Handwerk des Musikers, seine Beziehungen zur Umwelt, zum Verleger, zum Publikum zu sprechen, auf so Wesentliches wie die Notation, die gemäss alter zäher Überlieferung höchst kompliziert ist, namentlich die Notation der Orchesterinstrumente. Honegger trat für möglichste Vereinfachung ein. Umsonst. Seine Anregungen blieben ungehört. Heute, da jeder Komponist seine eigene Orthographie hat, der zu folgen jedem Dirigenten, jedem Ausübenden oft ungeheure Mühe verursacht, sind die Schwierigkeiten noch viel grösser als zur Zeit, da Honegger seine beiden Bücher schrieb. Und die Kluft zwischen Produzenten und Hörern ist noch viel tiefer, ja fast unüberbrückbar geworden. Der Kreis, der sich für das Neueste interessiert, ist vergleichsweise klein.

 Heute wird nur noch unterschieden zwischen E- und U-Musik, zwischen ernster und unterhaltender Musik. Und wenn ein Schüler mich fragt: Schreiben Sie klassische Musik? dann meint er damit, dass ich nicht-unterhaltende Musik schreibe. Ihm zu erklären, was «klassische» Musik ist, brauchte einen langen Vortrag. Denn mit «klassischer Musik» meinen die Leute vom Fach die Musik einer ganz bestimmten Zeitspanne, vor, um und nach 1800. Ihre wichtigsten Vertreter sind Haydn, Mozart, Beethoven. In ihrem Werk hat sich die Vorstellung der Sinfonie mit ihren vier in sich geschlossenen Sätzen vollendet, deren erster den Sonatensatz, eben klassischer Prägung, aufweist. Doch schon diese drei grössten Vertreter der Klassik liessen sich nicht in ein unabänderliches Schema zwängen, durchbrachen es dann und wann, so, wenn sie dem ersten, meist bewegten Satz eine langsame Einleitung voranstellten, die oft romantisch gefühlsbetonte Stimmungen enthielt. Schubert, Zeitgenosse von Beethoven, verharrte formal beim klassischen Schema, mag aber im kantabel Ausdrucksmässigen den Romantikern zugerechnet werden.

 So sind schon innerhalb der mit Klassik bezeichneten Epoche Überschneidungen festzustellen, und wie weit öfter im Lauf der Entwicklung im 19. Jahrhundert! Schumann und Brahms, zu den Romantikern und Spätromantikern zählend, bedienen sich in ihren Sinfonien des klassischen Schemas, und die Diskrepanz zwischen Wahrung klassischer Form bei Brahms und Nichtbeachtung klassischer Form und Auflösung zu einer endlos scheinenden Melodie bei Wagner könnte nicht auffälliger sein. Brahms und Wagner waren Zeitgenossen. Und die Überlagerungen, die Verschiebungen werden gegen 1900 und später immer verwirrlicher. Schönberg als Begründer der Zwölftonmusik, Richard Strauss als Spätromantiker, Strawinsky als Klassizist lebten alle gleichzeitig. Im Fall von Strawinsky wird die Lage noch schwieriger, als er mit jungen Jahren den wilden «Sacre du Printemps» schuf, sich später zum Klassizisten des Balletts wandelte, eine neoklassizistische Oper schrieb, die die unterschiedlichsten Stile in ironischem Sinn anwandte, und am Schluss seines langen Lebens die Zwölftontechnik Schönbergs brauchte, der er sich vorher ausdrücklich widersetzt hatte. Zeitgenossen Strawinskys waren auch Bartok und Hindemith, sie beide völlig verschiedene kompositorische Mittel verwendend, und auch ein Satie, der sich bewusst nüchterner Einfachheit verschrieb, welche Einfachheit von äusserst gesuchter, abgründig schalkhafter und witziger Raffiniertheit war.

 So und soviele weitere Fälle von gleichzeitiger und widersprüchlicher Schreibart wären anzuführen: Alles ein Zeichen, dass die Begriffe im Bereich der musikalischen Komposition uneinheitlich bleiben und dauernden Schwankungen unterworfen sind. Im übrigen möchte ich hier keinesfalls eine Musikgeschichte im Abriss entwerfen. Musikgeschichtliche Darstellungen gibt es in Fülle. Eindeutig sind sie nie. Was heute auf dem Gebiet des Schöpferischen geschieht, kann, vielleicht, in hundert Jahren überblickt werden. Ob man dann klarer sieht, muss eine offene Frage bleiben.

 Ich kam auf diese Begriffe nur zu sprechen im Zusammenhang mit der mir so oft gestellten Frage «Schreiben Sie klassisch?» Was ich dann immer mit einem «Ja» beantworte, der Einfachheit wegen. Denn wenn ich den Begriff des Klassischen in all seiner Widersprüchlichkeit erläutern müsste, käme ich nie an ein Ende. Ich müsste jeweils sofort hinzufügen, dass ich gar nicht klassisch schreibe, dass ich in meinen Stücken oft das Unterhaltende suche, wobei das Suchen niemals als ein Akt des Wollens empfunden werden dürfte, vielmehr als ein Leichtes, Eingegebenes. Das Divertimentohafte ist, wenn ich dies selber sagen kann, manchen meiner Arbeiten eigen; ich hoffe es wenigstens. Des Problematischen, der tiefsinnigen Schwierigkeiten um mich her sind genug, das für viele Hörer Unverständliche ist überreichlich vorhanden. Ich möchte es nicht noch vergrössern.

 Honegger kommt in seinen beiden kleinen Bänden ebenfalls auf die Tatsache zu sprechen, dass die Mehrzahl der Hörer das Gewohnte, das Bekannte vorzieht, und dass viele Konzertbesucher aus Angst, Unbekanntes vernehmen zu müssen, den Saal frühzeitig verlassen. Es ist wirklich so, dass etwas Zeitgenössisches geschickt ins Programm eingebaut werden muss; die Hörer werden dann gezwungen, es mitzunehmen. Die Seiten von Honegger über den Konzertbesucher und die Lage des heutigen Komponisten in der Gesellschaft entbehren nicht eines satirischen Beigeschmacks. Der Grundton seiner Ausführungen aber ist der eines tiefen Pessimismus. Ein grosser Künstler, ein sehr scheuer, ein äusserst bescheidener Mensch hatte sie geschrieben; die beiden Bände zählen sicherlich zum Wesentlichsten, was über die Arbeit eines Komponisten und seine Stellung im menschlichen Umkreis geschrieben worden ist. Nicht weniger gewichtig seine Aussagen über die Musik, jene schwierigste und geheimnishafteste der Künste, die eine Kontrolle vor einer Aufführung nicht gestattet: Ist die Aufführung da, dann sind Änderungen nicht mehr möglich, denn das Material besteht ja nun. Und in seiner kompositorischen Arbeit ist der Mensch, der sie aus dem Nichts schöpft, gänzlich einsam. Honegger sagt auch, dass er unfähig wäre, nur eine Note zu schreiben, wenn er wüsste, dass jemand ihm zusähe; dass er eine vage Vorstellung des zu schreibenden Werkes habe, dass er Stein auf Stein fügen müsse, denn logisch und sinnvoll soll der Bau sein. So muss man den Mut zu manchem Neubeginn haben.

 Nun hat nicht allein Honegger über die Kunst der Komposition geschrieben. Es gibt auch die musikalische Poetik von Strawinsky, es gibt die zahlreichen Schriften von Frank Martin, von manchen weitern Meistern. Sie zu lesen, kann nur aufschlussreich sein; wenn auch zu sagen ist, dass jeder subjektiv ist, subjektiv bleiben muss. Dass die Schriften von Frank Martin mir besonders wichtig sind, mag verständlich sein: Er war in gewissem Sinn mein Lehrer, wenn auch erst zu einer Zeit, da ich die Jahre eines Schülers längst hinter mir hatte. Doch das hängt mit der Art meiner künstlerischen Tätigkeit zusammen, und auf sie komme ich nun zu sprechen, wobei ich das Divertimentohafte gern als Hauptton beibehalten möchte, darin wohl recht verschieden von meinem Lehrer und Meister, der so ganz andere Wege beschritt. Auch wenn die «Petite Symphonie concertante» zu seinen schönsten und bedeutendsten Äusserungen gehört, so standen für ihn die grossen Oratorien auf religiöser Grundlage doch im Vordergrund. Das Entstehen der Petite Symphonie concertante habe ich stufenweise miterlebt, als ich die neuen Seiten oft auf dem Klavier stehen sah, an dem wir in Genf gemeinsam meine Arbeiten durchgingen. Martin schrieb sehr langsam und unter grossen Schwierigkeiten, und an die Geräusche eines Miethauses hatte er sich zu gewöhnen: Er konnte sich nicht wie Honegger als ein Bär in seine Höhle verkriechen. Durch das Spiel am Klavier mussten die Geräusche von Lift und Treppenhaus und Mietern übertönt werden. War man in dies Spiel vertieft, dann gelang es; doch bedurfte es immer einer Anlaufszeit.

Wie verschieden jeder schöpferische Mensch ist, wurde mir damals bewusst, auch, dass auf diesem Gebiet keine Regel aufgestellt werden kann. Ich hätte damals bereits wissen müssen, dass es mir selber kaum je vergönnt sein würde, an anderer Stelle zu arbeiten als am angestammten Platz am eigenen Klavier. Oft und oft habe ich den Versuch gemacht, ohne Instrument auszukommen, gerade dieser Tage wieder, in der Toskana, wo ich an dem Schreibtischchen, ausser der lustigen italienischen Schreibmaschine, noch ein paar Notenblätter liegen hatte, auf die ich ein Märschchen setzte. Das Märschchen wird noch manche Umwandlung erfahren, ehe ich es als geformt entlasse.

Ich blättere in meinen unendlich vielen Notenseiten, die so wohlgeordnet aufgereiht sind, vom Jahr 1921 an bis auf den heutigen Tag. Da entdecke ich beim Klavierkonzert Nr. 1, dass ich sowohl auf dem Monte Verità in Ascona als in einem Gartenzimmer im Schloss Spiez, wo man mir ein Klavier hingestellt hatte, Noten und nochmals Noten geschrieben hatte; ja, um genau zu sein, begonnen hatte ich dieses Ding eines Nachmittags im Tannlihag bei einem meiner Waldspaziergänge, die ich während meiner Studienjahre regelmässig unternahm. All das ohne Instrument oder an fremdem Ort Getane musste zuhaus am Instrument überarbeitet werden. Es war das Gleiche beim Cellokonzert, beim Cembalokonzert, von denen gewisse Passagen in Paris geschrieben waren, immerhin an einem Instrument, in der Wohnung von Harry Brown an der rue du Bac. Es war die Wohnung eines Komponistenfreundes, der es verständlicherweise vorzog, seine Behausung zu verlassen, wenn ich meine Töne zusammensuchte.

Nur einmal war es mir gelungen, etwas zu schreiben, was nur weniger Korrekturen bedurfte: Jene kleine Sonate in der Art des Scarlatti, die ich in Paris im Hotel Foyot schrieb, jenem gemütlichen Haus, in dem ich Zimmer an Zimmer mit Hans von Salis wohnte. Und das alte Ding wird weiss Gott noch heut dann und wann gespielt, nicht am Klavier, sondern am Cembalo. Silvia Kind, die Cembalistin, hatte einst entdeckt, dass der letzte Satz etwas Amüsantes wäre auf ihrem Instrument, und so spielte sie das Stückchen, das einen eigenen Titel erhielt, bei unzähligen Cembalo-Abenden auf der ganzen Welt. Oft gab sie es als Bis und erzielte damit einen heiteren Beschluss. Nun hat sich Ernst Gerber auf diese alte Muse kapriziert; er spielt sie nicht minder lustig, eben als Divertimento. Wer hätte im Jahr 1930 gedacht, dass die «Muse de C...» (denn so heisst das Stück nun) noch ein halbes Jahrhundert später über die Tasten geistern würde?!

Ich darf wohl festhalten, dass dies in grosser Unbefangenheit leicht und unbeschwert hingesetzte Sonatenfinale eine der ganz wenigen Ausnahmen darstellt. Wie wenig taugte all das, was ich an ungewohntem Platz, an fremdem Instrument oder ohne Instrument suchte, in Hotelzimmern, in Häusern von Freunden. Es käme auf eine Lebenserzählung hinaus, wollte ich die Orte anführen, wo ich zu schreiben unternahm, etwa in der Vigna Varick in Brissago, in jenem hoch über dem See gelegenen Haus von Arthur, in Badenweiler, in Prangins, auf dem Bürgenstock, im Garten des Hotel Augustus in Forte dei Marmi, wo noch?

Eine der bittersten Erfahrungen hatte ich ausgerechnet in Paris zu machen, wo ich doch sonst immer glücklich war und mich von der Luft des Künstlerischen getragen fühlte. Wochenlang zog ich jeden Morgen vom Hotel durch den Jardin du Luxembourg nach der Wohnung von Magdi Rufer, der Pianistin, die mir ihren Flügel während ihrer Abwesenheit zur Verfügung stellte, um das Finale des Violinkonzerts zu schreiben. Ich beendete tatsächlich den dritten Satz, doch in die Schweiz zurückgekehrt, fand ich alles unzulänglich. Die ganze Arbeit, auch die Orchestrierung, erwies sich als unnütz. Ich brachte nicht den Mut auf, nochmals einen dritten Satz zu schreiben. So blieb das Stück zweisätzig, und Satz I und II wurden umgetauscht. Der langsame Satz machte nun den Beginn, der bewegte kam an zweiter Stelle, und so wurde das Stück auch wiedergegeben. Es war ein Sorgenkind, dies Violinkonzert, doch wie viele andere waren es auch!

Das Biographische, im Zusammenhang mit der Musik, doch auch mit allem andern, ist schon festgehalten auf Seiten, die zwar einer Überarbeitung harren, doch abgeschlossen sind und, wer kann dies wissen? vielleicht einmal veröffentlicht werden. Auch sie haben einen lateinischen Titel, «Laterna Magica» nämlich, mit dem ich auf das Spielerische hinzuweisen dachte, das in meinem Tun wesentlich ist, ausschlaggebend, möchte ich fast sagen. Denn spielerisch begann ich Noten zu schreiben, wohl seit meinem zehnten Jahr. Nicht gerade im Geheimen. Man wusste von diesem Tun, doch wurde es nicht in bestimmte Bahnen gelenkt und nach einem Ziel hin gefördert. Es war einfach ein Teil meines täglichen Tuns, so, wie man teils Schulaufgaben macht, teils sich den Kinderspielen hingibt.

Meine Mutter hat diese spielerischen Tätigkeiten auf meinen Wunsch hin festgehalten, auf erzählenden Seiten und mit aquarellierten Zeichnungen versehen, freilich erst viel später. Zu meiner Schulzeit, da ich Noten hinschrieb oder zeichnete oder malte, war sie selber mit Malen und Zeichnen beschäftigt, so oft es die Zeit ihr erlaubte. Vielfach waren es kunsthandwerkliche Sachen, die sie in kreativer Leichtigkeit zu bestimmten Anlässen, zu Weihnachten, Ostern, Hochzeiten, Taufen, Geburtstagen schuf. Ihr Tun war eine Selbstverständlichkeit, und es wurde nie Aufhebens davon gemacht. Es war selbstverständlich, dass sie sich in dem nach Norden gehenden Zimmer im zweiten Stock unseres Hauses im Hof (jenes Haus, das heute der Volksbank gehört) einen Maltisch einrichtete und entweder Teller, Krüge, Schüsseln bemalte, die nachher in Nyon gebrannt wurden, oder mit Ölfarbe auf Spanschachteln malte, reizvolle dekorative Gegenstände, die sie der grossen Verwandtschaft zum Geschenk machte. Später, als Enkel da waren, zeichnete sie Kinderbücher, zu denen sie Geschichten erfand, die sie, gereimt oder ungereimt, in Schriftsprache oder Mundart, in ihrer so disziplinierten Handschrift festhielt. Das war die geistige Umgebung, in der ich aufwuchs. Diese Umgebung war sicher wichtig: Das Künstlerische lag in der Luft, und dass ich als drittes und letztes der Kinder mitmalte, wenn meine Mutter malte, schien nur natürlich.

Musiziert wurde immer, doch waren es weder Vater noch Mutter, die mir hier Vorbild waren, vielmehr die Grosseltern, der Grossvater mütterlicherseits, Friedrich Hünerwadel, die Grossmutter väterlicherseits, Catherine Mieg, genannt Didi. Beide waren, im Gegensatz zu den Eltern, ausübend, sie spielten Klavier. Grossmutter Mieg war eine Klavierspielerin von grosser Gewandtheit und Behendigkeit, die alles, was Musik war, in sich hineinschlang, die alles mit Leichtigkeit dechiffrierte und mich zu täglichem Vierhändigspiel ermunterte. Meine Schwester und mein Bruder spielten gleicherweise Klavier, doch kamen sie über gewisse Anfänge nicht hinaus, und die Mozartsonaten, die meine gute Schwester von ihrem Genfer Jahr mitbrachte, persiflierte ich am Klavier, ihr Stolpern bei etlichen Stellen böse nachahmend. Ich bekam denn nicht selten zu hören, ich sei ein böses Kind gewesen, was ich nicht verheimlichen will. Mit einem Arkanum hat dies nichts zu schaffen, ich gebe meine Bösheit preis, auch meine Heftigkeit, die durchaus vorhanden war. Gemeinhin hat man in mir nur das sanfte lenkbare Kind gesehen, das behütete, geschonte, verwöhnte (was vielleicht mit den vielen, zum Teil schweren Krankheiten zusammenhing). Nicht selten bekam ich zu hören, ich hätte einst in der Wut den silbernen Serviettenring meiner Schwester zertreten, sei gar mit dem Messer gegen sie losgezogen, Affekthandlungen, die heute mit Worten aus dem Bereich der Psychiatrie und Soziologie und sogar philosophisch verbrämt hingenommen werden. Vor grauen Zeiten war dies nicht der Fall. Immerhin wurde vieles bei mir geduldet, ich war eben das letzte der drei Kinder, ich war das Nesthäkchen, war das begabte Kind. Die Begabung wurde indessen nie als Vorwand zur Beschönigung meiner Bösheit aufgefasst. Sie war vielmehr die selbstverständliche Zugabe in meinem Dasein.

Nun geht es, an dieser Stelle, nicht mehr an, weiter um den heissen Brei herumzulaufen. Hier muss gesagt sein, dass mir kurzerhand untersagt wurde, eine der beiden Künste zum Beruf zu machen. Von der Malerei war ohnehin nicht die Rede, die lief immer nebenher. Aber die Musik: Da hätte es, in anderer menschlicher Umgebung, in ambitiöser Familie, nahegelegen, mich in die Richtung der Musik zu führen. Wenn einer mit zwölf Jahren schon komponierte und alles spielte, was ihm vor die Finger kam, wenn einer schon zu den Geburtstagen der Grosseltern Menuette schrieb, entweder für Klavier allein oder für Flöte und Klavier, wenn einer mit fünfzehn so etwas wie eine Kinderoper machte, die von den Nachbarskindern und mit dem Autor gespielt und aufgeführt wurde, was für die andern, musikalisch nicht sonderlich Begabten nicht ohne Qualen geschah: Da hätte es nahegelegen, ihm eine fachgerechte musikalische Erziehung zu gönnen.

Meinerseits drang ich mitnichten darauf, nahm vielmehr das Wort der Eltern als richtig hin: Ich hätte mehr Freude an der Musik, wenn ich sie im Nebenberuf ausübte. Wie recht hatten meine Eltern! Sie konnten nicht ahnen, dass ich, nachdem ich die Vierzig überschritten hatte, dennoch so etwas wie ein Musiker würde und die Musik berufsmässig ausübte. Denn was steht heute auf manchen Briefadressen? «Komponist». Also doch? Und wenn alle Vierteljahre von irgend einem Who’s who aus England, Amerika, Frankreich, Deutschland ein Zettel ins Hans geflogen kommt, den ich brav ausfülle und auf dem ich ergänzend die neuesten Stücke nachtrage, dann frage ich mich gar nicht mehr, ob ich wirklich ein Komponist sei. Es steht ja da, ist gedruckt und kann von jedem Leser im Buch nachgeschlagen werden.

Nun ist’s gesagt, nun ist’s heraus: Das mit dem Verbot, Musiker im Hauptberuf zu werden. Ich muss mich da an eine Stelle in dem autobiographischen Roman der mir befreundeten Annette Kolb erinnern, wo auch sie sagt: «Nun ist’s heraus». Nämlich dass der ihrem Haus befreundete, doch von den Kindern gefürchtete und gehasste Professor Doktor Von nie eine Rechnung stellte für die Behandlung der erkrankten Kinder. Ja, ich sollte nicht Musiker werden. Sie handelten richtig, meine Eltern, weise, indem sie ahnten, dass es mir an den physischen wie psychischen Kräften gebrechen würde, diesen so anspruchsvollen Beruf auszuüben. Was hätte ich werden können? Ein Pianist. Mit einer Pianistenlaufbahn zweiten Ranges hätte ich mich nicht begnügt. Ein Dirigent? Dafür brachte ich nicht den mindesten Machttrieb mit, und ein Dirigent will doch über sein Orchester herrschen. Ein Pädagog? Dafür hatte ich nicht die äussern und innern Kräfte, ich war introvertiert, musste für mich allein leben.

So war es richtig, auf eine Musikerlaufbahn zu verzichten. Dass mir freilich unendliche Umwege, die ich zu machen hatte, erspart geblieben wären, sei nicht verschwiegen. Zwar taten meine Eltern alles, was neben Schule und Studium im Bereich der Musik fördernd war. Ich hatte pianistischen Unterricht zuerst bei einer Jugendfreundin meiner Mutter, der aus musischem Haus stammenden Johanna Jahn, dann beim Lenzburger Musikdirektor Carl Arthur Richter, bei dem ich auch Unterricht in Theorie und Harmonie hatte. Während der Gymnasialzeit in Aarau fuhr ich regelmässig nach Basel zu Hans Münch und lernte bei ihm gewissermassen die ganze pianistische Literatur kennen. Er war später das, was man heute Generalmusikdirektor nennt, nämlich Leiter des Basler Orchesters und des Gesangvereins. Während der Zürcher Studienjahre war ich Klavierschüler bei Emil Frey, dem ich nicht nur grundlegende pianistische Schulung verdanke. Er wusste mich vor allem von der Ethik jeglicher Musiktätigkeit zu überzeugen; er stellte höchste Ansprüche an sich und an andere. Im musikwissenschaftlichen Seminar der Universität nahm ich an den Übungen in strengem Satz und Polyphonie teil, betrieb Formanalyse, hatte Einblick in die logische Kunst der Musik, die mir, immer erneut, nahe Verwandtschaft mit der der Architektur zu haben schien.

Die Beschäftigung mit dem strengen Satz stand indessen in nur mittelbarer Verbindung mit dem, was ich schrieb; denn ich schrieb unentwegt, und mir schwebte eine lichte, eine heitere Musik vor, so wie ich sie in Paris in der Gestalt der Arbeiten der Gruppe der «Six» kennengelernt hatte, später in einem Werk des Neobarock, dem Klavierkonzert von Igor Markevitsch, das ich, ebenfalls in Paris, tage- und wochenlang immer erneut vornahm und spielte. Dass ich auch die strenge Form, nämlich die der Chaconne, in einer Violinsonate anwandte, zeigt, dass ich nicht nur das Unbeschwerte einer Scarlattisonate als Ideal vor mir sah.

Die Widersprüchlichkeiten in meinem kompositorischen Tun, das ja stets nur nebenher ging, das ich als ganz privates Divertimento erachtete, gaben mir zu schaffen und liessen mich zu Beginn der vierziger Jahre mit Frank Martin Kontakt aufnehmen. Ich hatte ihn durch Paul Sacher in Basel kennengelernt; und mit Martin wurden kompositorische Probleme, Fragen der Form, namentlich auch der Instrumentation erörtert, und zwar in der nämlichen ethischen Einstellung zum musikalischen Kunstwerk, die mir von Emil Frey her vertraut war. Frank Martin forderte viel von seinen Schülern, weil er von sich selbst viel forderte. Dabei hatte mich gerade die freie Art, wie er in seiner Aschenbrödel-Ballettmusik eine Mazurka einführte, bewogen, ihn um seinen Rat zu bitten. Frank Martin hatte sich damals mit der Zwölftontechnik auseinandergesetzt, die im Grund von der Tonalität wegführte. Martin aber wusste die Zwölftontechnik im Rahmen der Tonalität anzuwenden, und das war es, was mich bestach. Tonal waren auch meine Arbeiten, doch sie wurden immer komplizierter, undurchdringlicher, undurchhörbarer. Martin suchte mit mir zusammen, in unendlicher Geduld, oft stundenlang am Klavier oder an zwei Klavieren ausprobierend, zu einer transparenten Form zu gelangen.

Das, was Einfachheit hiess, erreichte ich erst viel später: Nach langen Umwegen; ich sagte schon, dass ich manchen Umweg zu machen hatte. Die Komplikation des Satzes stand meinem Ideal je länger je mehr im Weg, und nachdem ich ein Notturno für Violoncell und Klavier auf der Zwölftongrundlage geschrieben hatte, war mir klar, dass sie für mich eine Sackgasse bedeutete. Bezeichnenderweise hat sich die Reinschrift jenes Notturnos verloren, und, sollte das Stück je gespielt werden, müsste sie rekonstruiert werden.

Es gibt einen Musiker in der Schweiz, der sich darauf versteift, Dinge von mir aufzuführen, die mir denkbar entfernt sind. Er ist ein Witzbold, ein Schäkerer. Es gibt genügend Stücke, zu denen ich stehe, es gibt sogar solche wie die Gesänge nach Gedichten von Hofmannsthal, die überhaupt noch nie gegeben wurden. Der Tenor aus Stuttgart, der sie bestellt hatte, hüllt sich in Schweigen. Meinerseits wäre ich nie auf die Wahl gerade dieser Gedichte gekommen, die überaus kostbar sind, doch zu den allerbekanntesten des Dichters zählen. Ich hätte nie gewagt, sie sogenannt zu vertonen, wie denn das Kapitel der Liedtexte höchst heikel ist: Mit Schoeck hatte ich lange Diskussionen deswegen. Schoeck war Lyriker und ein Meister der Vokalkunst, kannte sich auch wie wenige in der Dichtkunst aus. Vielleicht erbarmt sich Peter Schreier irgendeinmal der drei Hoffmansthal-Gesänge?

Dass ich aus dem Wirrsal vergeblicher Versuche herausfand, habe ich allein Rudolf Baumgartner zu danken, der meine Arbeiten kannte und mit dem ich die frühe Violinsonate des öftern im Konzert und am Radio geboten hatte, einstmals auch im Lenzburger Gemeindesaal, im Jahre 1946, da er noch als der Benützung würdig erachtet wurde. Es ist ein schöner, ein akustisch hervorragender Saal. Er hatte damals ein vergleichsweise nüchternes Aussehen, und mit herrlichen Blumenarrangements war er zu einem festlichen Raum verschönt worden. Nicht zu aller Freude! Wenn ich daran denke, dass Marilise durch diese Blumen einen argen Heuschnupfenanfall erlitt.

Ende der vierziger Jahre munterte mich Rudolf Baumgartner auf, für das Zürcher Streichtrio und den Oboisten Edgar Shann ein Stück zu schreiben: Es müsse leicht wirken, dürfe nicht kompliziert sein, im Gegenteil, müsse vom Hörer unmittelbar verstanden werden. Die Arbeit an jenem Stück, das bezeichnenderweise den Titel Divertimento erhielt, brachte den Umschwung, brachte die Erleichterung, liess mich meine eigene Art des Musikmachens erkennen. Die Schreibart wurde locker, wurde durchsichtig. Was alles nicht hiess, dass meine Musik eitel vergnügliche Helle sei. Der dunkle Grundton blieb ganz von selbst, auch als Boden, auf dem sich jene in romantischer Ironie gefundenen und zusammengesetzten Formeln in einem Stück Musik entfalten konnten.

Über die stilistische Stellung meiner Musik etwas auszusagen, fällt mir schwer. Ich flehe immer andere an, es zu tun. Selber kann ich vielleicht sagen, dass gewisse harmonische Wendungen nur bei mir vorkommen. Das muss wohl so sein, wie wäre es sonst möglich, dass so oft Hörer von Radiosendungen mir sagen, sie hätten, ohne das Programm zu kennen, schon aus den ersten Takten meine Musik erkannt.

Den langen Weg über meine musikalische Entwicklung musste ich gehen, ehe ich dem Leser das Arkanum zu lüften versuche, wobei ich mir der Relativität solchen Erklärens dauernd bewusst bin. Dass seit jenem Auftrag für ein Divertimento die Kette der Aufträge nie abbrach, ja, dass das Komponieren seit rund dreissig Jahren zum Beruf geworden ist, muss ich an dieser Stelle festhalten. Durch das Zusammentreffen mit dem Zürcher Dirigenten Edmond de Stoutz wurde eigentlich der Weg zu einem Hersteller von Orchesterstücken eröffnet. Das Concerto da Camera war für sein Zürcher Kammerorchester geschrieben, dessen Primgeiger damals Rudolf Baumgartner war. Baumgartner und ich weilten in Wien zu Aufführungen, und de Stoutz brach frühmorgens, vom Westbahnhof kommend, mit einem sprühend vorgebrachten Sprachwitz in unser Zimmer ein.

So, wie das Concerto da Camera in Zürich seine Uraufführung erlebte, so auch das Konzert für Cembalo, mit dessen Solisten Hans Andreae ich seit unsern Tagen an der Zürcher Universität befreundet war und mit dem ich ungezählte Male vierhändig an einem und an zwei Klavieren gespielt hatte. Und durch das Zürcher Kammerorchester wurde an der Biennale von Venedig 1955 das Concerto Veneziano uraufgeführt.

Die Verbindung zu de Stoutz und zu Baumgartner ist nie abgebrochen. Unter Baumgartner fand, als er zusammen mit Schneiderhan die Festival Strings Lucerne gegründet hatte, bei den Luzerner Festwochen die Uraufführung des Streicherstücks Toccata-Arioso-Gigue statt, des Stücks, das zum meistgespielten wurde, das in allen Schweizer Städten, auch im Ausland, selbst in Amerika, erklang, und das von verschiedensten Ensembles geboten wurde. Einst auch bei den Schwetzinger Festspielen, zu denen ich in einem gelb-schwarz-silbernen Rolls Royce chauffiert wurde. Was keineswegs heisst, dass er mir gehörte, auch nicht dem Chauffeur; ihm war er von einem österreichischen Baron aus Genf gewissermassen als Spielzeug ausgeliehen worden. Thierry Wälli, heut ein seriöser Arzt, war der Chauffeur, der das Trio aus dem Aargau in gemächlichem Kutschentempo in den entzückenden Schlosspark und in den reizvollen Konzertsaal brachte, und nachts wieder zurück. Ich glaube, es war drei Uhr früh, als wir hier anlangten. Schnell konnte man mit jenem grandiosen Vehikel nicht fahren. Schon wieder das Wort Vehikel, das ich bei Gottfried Keller entlieh.

Gottfried Keller nehme ich nochmals in Anspruch, wenn ich auf die musikalische Komposition zu sprechen komme, spät genug. In einem seiner Briefe, deren Lektüre ich nicht genug empfehlen kann, kommt der Dichter auf die Komposition des literarischen Kunstwerks zu sprechen (übrigens lässt er in den «Missbrauchten Liebesbriefen» bei der herrlichen Szene in einem fremden Gasthof auch alte Gerichtsräte über die Geheimnisse der Komposition reden). Keller übt an der Novelle eines zu seiner Zeit vielgelesenen deutschen Autors Kritik, sagend, sie sei von vorn nach hinten komponiert, statt von hinten nach vorn.

Da sind wir denn mitten im Fachlichen, und ich müsste im Grund den Faden sofort aufnehmen und festhalten, dass bei der musikalischen Komposition das gleiche Gesetz gelte. Ja, wer sich ihm so ohne weiteres unterziehen könnte! Ein Mozart besass die Fähigkeit, im Kopf ein Werk bis ins Letzte durchzuarbeiten. Das Niederschreiben war für ihn eine nur mechanische Tätigkeit. Andere aber, Beethoven etwa, rangen bitter um die Form. Beethoven hatte mühselige Umwege zu machen, um zu jener lapidaren Einfachheit zu gelangen, die ihm gültig schien. Es war eine Einfachheit, die an Simplizität grenzte, beispielsweise die Anfangstakte der Fünften Sinfonie. Was aus jenen hingehämmerten Takten im Verlauf des ersten Satzes geschieht, das ist dann das Geniale, das Einmalige, das den Hörer Bezwingende. Honegger seinerseits sagt, er habe eine dunkle Gesamtvorstellung von einem neuen Werk und suche unter langem Nachsinnen, in beschwerlichen Anläufen sich dann dem zu nähern, was ihm als Idealvorstellung vorschwebte.

Wenn es für die Hersteller von Porzellan nur die Entdeckung der Mischung gab, die allein den dauerhaften Scherben gewährleistete (Scherben ist der Fachausdruck), so besteht für den Komponisten dies Geheimnis eben nicht. So gern ich es mitteilte, so unmöglich ist es für mich. Ich muss festhalten, dass es für jedes neue Stück ein neues Arkanum zu entdecken gilt, und das ist bei all dem abenteuerlich Erregenden das Mühsame, das Belastende, das Fragwürdige. Sobald ein Komponist glaubt, das immergültige Kompositionsmittel gefunden zu haben, ist er der Gefahr der Routine ausgesetzt. Nichts Schlimmeres als Routine im Bereich der Musik. Musik muss doch stets neu wirken, Musik muss uns immer überraschen. Annette Kolb hält in ihrem Salzburger Buch an bestimmter Stelle fest:: «La musiquc doit toujours nous surprendre».

So denn sitze ich über der Arbeit, die mir nicht, wie man annehmen könnte, leicht fällt, sondern der ich mit aller Sammlung, allem Ernst der Verantwortung obliege. Aber ich möchte doch, dass meine Musik leicht und heiter klinge. Das schon. Der Weg zur Leichtigkeit und Heiterkeit ist überaus schwer. Mag sein, dass es andern besser geht; es gibt immer die Fälle, dass einer ohne Zögern schreibt. Hindemith ist da ein Beispiel, auch Willi Burkhard. Ich glaube, es sind die Ausnahmen. Wie hat Frank Martin mit dem Stoff gerungen! Ich sagte es schon. Er war, wie oft! der Verzweiflung nah (ich sehe vor mir die Seiten jener Petite Symphonie concertante auf dem Flügel des gemieteten Genfer Studios stehen).

Bei mir selber stelle ich fest, dass sich mit den sogenannt zunehmenden Jahren nicht die Annehmlichkeiten eines endlich beherrschten Handwerks einstellen. Im Gegenteil, ich stehe meiner Produktion immer kritischer gegenüber und lasse selten etwas gelten, das ich, vielleicht unvermittelt und rasch, gefunden habe. Mein kritischer Sinn ist wach und fragt: Hält das, was du da aufgeschrieben hast, dem Gesetz der Kunst stand? Sie ist schrecklich anspruchsvoll, diese Kunst. Dabei sehe ich meine Arbeit als winziges Teilstück innerhalb der Entwicklung, als ein Teilstück, das seinem Charakter nach nicht vorwärts weist, sondern im Bereich des Vorhandenen verharrt. Die Entwicklung in den Künsten ist etwas sehr Relatives (ich habe bereits darauf hingewiesen), und ich bin voll Misstrauen gegenüber allem, was gewollt neu sein will. Diesem Neuen wird zuviel Gewicht beigemessen, besonders in den Fällen, da mit oft zweifelhaften Mitteln das gesucht Neue auf den Schild erhoben wird, wobei das Neue bis zum Absurden und Abgeschmackten verbogen sein kann.

Es ist wohl ein Stück Widerwillen, eine Art Widerspruchsgeist in mir, wenn ich bei dem Rennen um das Neue nicht mitmache im Bewusstsein, dass es fragwürdig ist, dass wir uns in einer Zeit nicht des Aufbruchs zu neuen Ufern befinden, sondern wohl eher in einer alexandrinischen Zeit, vergleichbar mit dem niedergehenden Hellas und Rom. Mir scheint, Schönberg habe nicht die neue Musik gebracht, sondern sei in konsequenter Nachfolge auf Wagner ein Komponist gewesen, der im Prozess der Auflösung mittrieb. Die wirklich grossen schöpferischen Epochen waren doch wohl der Barock mit Bach als dem Grössten und die Klassik mit Mozart, Haydn, Beethoven als den Meistern, die das Vollkommene schufen. Doch es kamen ja noch Schubert und Schumann, es kamen Brahms, Liszt, Wagner, Grieg, Saint-Saëns, Tschaikowsky, Bruckner, Mahler, Rachmaninoff, und mit ihnen begannen die Überlagerungen und Überschneidungen, die im beginnenden 20. Jahrhundert so verwirrlich widersprüchlich werden. Doch, nochmals, ich habe hier keine Musikgeschichte aus der Sicht der Endzeit zu schreiben, sondern nur zu versuchen, meine eigene kleine Arbeit zu umreissen.

Ich suche in ihr die Musik, suche immer das Sangbare, suche das rhythmisch Belebte, suche letzte Einfachheit und Durchhörbarkeit und möchte meine Dinge so, dass sie vom Hörer beim ersten Mal aufgenommen werden können. Es ist heute durchaus unerwünscht, ich weiss es. Wenn ich es trotzdem tue, geschieht es nicht, um ohne Umweg Beifall zu finden. Ich mache es mir nicht leicht, das darf ich wohl mit Fug behaupten. Und in der Isolation zu leben, gegen den Strom zu schwimmen, setzt nicht nur Widerstandskräfte voraus, sondern die Überzeugung, das Richtige zu tun. Ob es das Richtige wirklich ist: Wer vermag das zu entscheiden? Niemand. Vielleicht ist es immer erneut der Wunsch, das zu schreiben, was mir selber Freude macht, und womit ich auch den andern Hörer erfreuen kann. Ich sagte schon, es sei ungemein schwierig, einfach zu sein, und bei einem Menschen, dessen innere Struktur nicht eindeutig, sondern differenziert ist (wenn ich das sagen darf), ist die Verwirklichung dessen, was ihm vorschwebt, umso schwieriger. So sitze ich denn oft brütend und nahe am Verzweifeln über dieser Arbeit.

Wie oft muss ich das Wort von der Inspiration hören, wie oft vernehmen, in diesem Haus, diesem Garten müsse man doch inspiriert sein. Und ob ich denn nicht zur Musik angeregt werde, wenn ich durch eine schöne Landschaft fahre? Das alles sind Illusionen, die bei idealistischen Musikfreunden zu zerstören mir leid tut. Ein Musikstück schreiben bedeutet Arbeit und nochmals Arbeit. Es kommt vor, dass mir etwas zufällt, es kommt vor, dass ich ein Thema träume, das ich, wenn es gut geht, beim Aufwachen noch besitze und aufschreiben kann. Es kommt auch vor, und dies nicht sehr selten, dass ich bei meiner Siesta, die ich mir täglich gönne (ach ja, etwas werde ich mir doch gönnen dürfen, wenn schon ich als Alter noch arbeite und für diese Arbeit durch unsern hehren Staat bestraft und mit neuen Steuern gezwickt werde) eine Melodie höre, die ich sofort notiere, und die Bücher, die in Griffnähe bei meiner Liegestatt sind, weisen die Spuren solcher Einfälle in Fülle auf. Ob sie brauchbar sind, ist eine andere Frage. Also: die Einfälle. Auch Annette Kolb, um sie noch einmal herbeizurufen, schrieb mir, dass sie sie so selten geschenkt bekomme. Alles sei ja Arbeit, nur Arbeit.

Seit Jahren komponiere ich ausschliesslich am Klavier, um die dauernde Kontrolle zu haben. Manchen kommt dies verdächtig vor. Aber wieviele haben am Klavier gearbeitet, Strawinsky etwa oder Frank Martin, und gewiss sind so rein pianistische Formen, wie sie sich bei Schumann oder Chopin finden, am Klavier entstanden. Wenn ich am Klavier sitze und das Geträumte oder das im Hindämmern Gehörte spiele, dann kann es, ich muss betonen: zur Seltenheit, richtig sein. Meist aber ist vielleicht ein Bruchstück davon verwendbar, muss das Fragment umgeformt und in den Zusammenhang gefügt werden. Denn Musik ist eben die logischste der Künste. Sie muss in ihrem Bau so logisch sein wie ein Stück Architektur, bei dem man nicht einen Stein herausnehmen kann, ohne das Ganze zu gefährden.

Da sitze ich denn mit meinem Thema und muss es fortspinnen. Das Schwierige besteht darin, dass sich Takt eins zu Takt zehn und zu Takt hundert und zweihundert und dreihundert so sinnvoll verhalten muss, dass der Bau, sagen wir eines Sonatensatzes, überschaubar und, nochmals, logisch sei. Bei einer Arbeitsweise wie der meinen ist es denn mühsam, um ein gelindes Wort zu brauchen, den Überblick zu behalten, besonders, da sich die Arbeit oft über Tage und Wochen, ja Monate hinzieht. Es kann vorkommen, dass mir an einem Tag vielleicht acht Takte gelingen. Sind es mehr, bin ich schon sehr misstrauisch. Überschaue ich am folgenden Tag das Geschriebene, dann muss ich oft all dies mühsam Hingesetzte wegstreichen und neu beginnen. Täglich, täglich muss ich den Mut aufbringen, das Geschriebene mit wachem Sinn und kritisch zu begutachten. Was nicht taugt: ohne Zögern weg!

So kommt es, dass ich streiche und nochmals streiche. Ich arbeite ausschliesslich mit der Feder. Wie oft wurde mir empfohlen, mich des Bleistifts und des Radiergummis zu bedienen. Es geht nicht. Ich bin ein Gewohnheitstier und meiner Umwelt durch meine Gewohnheiten schon oft lästig gefallen, ich weiss. Also immer nur mit der Feder, und dann muss es noch blaue Tinte sein. Wie oft haben sich Kopisten über mein Blau geärgert. Es hilft nichts: nur mit blauer Tinte. Und so wird denn Note für Note geschrieben und gewissermassen Note für Note wieder gestrichen.

Als wahre Schlachtfelder nehmen sich meine Seiten aus. Edmond de Stoutz hat mehr als einmal gemeint, meine Blätter erinnerten ihn eher an Zeichnungen von Klee als an Musik. Klee ist ja höchst ehrenvoll für mich, zudem war Klee ein vorzüglicher Musiker. Das Geschriebene, an dem ich jeden Morgen sitze, blickt mich immer fragend an. Ich komponiere nur am Morgen, der Morgen ist die herrlichste Tageszeit, mit welcher Behauptung ich meinen Maler-Dichter-Freund Franz Max Herzog stets ärgerte, denn er war ein ausgesprochener Nachtmensch wie Hesse, der erst gegen Abend ansprechbar wurde, und wie Schoeck, der nachts aufs köstlichste erzählen, rezitieren, singen und spielen konnte; ich habe es erfahren, als ich eines Nachts zwischen zwei und drei im Brestenberg mit ihm vierhändig spielte.

Ich muss Mut schöpfen und den fragenvollen Zeichen, den Noten und Durchstreichungen antworten, indem ich sie wieder und wieder durchspiele und prüfe, indem ich weitere Noten und weitere Striche beifüge, solange, bis ich das Ende eines Satzes erreicht habe. Wobei denn dies Ende am folgenden Tag oder am nächstfolgenden durchaus nicht mehr gilt. Jede Note hat ihren eigenen Wert, jeder Takt hat seine eigene Bedeutung, bildet zugleich Bestandteil einer Taktfolge, die wiederum Bestandteil eines ganzen Satzes ist. Alles muss aufeinander bezogen sein, alles ist Bau, alles Architektur. Dabei darf die Wirkung, wird dies Komponierte, dies Zusammengefügte vor dem Hörer gespielt, niemals die des Errechneten sein. Sondern alles soll sich anhören wie ein Leichtes, fast Improvisiertes.

Dies dichte Nebeneinander von Unbewusstem und Bewusstem, von Einfall und Struktur ist zuletzt das Wesentliche beim Vorgang des Komponierens. Es gibt kein Rezept, es gibt kein zu erläuterndes Arkanum: Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, muss zu dem gelangen, was seiner Vorstellung entspricht. Unendliche Mühen setzt das Begehen und Fortsetzen solchen Weges voraus, ein Ausharren und Nichtverzweifeln, um nach langem Brüten etwas zu schenken, was den Hörer erfreuen kann. Das Ergebnis langwierigen Ringens soll so leicht sein wie eine Blüte. Auch sie ist gewachsen und eines Tages einfach da. Ich weiss, es ist vermessen, meine Arbeit mit dem Geschehen in der Natur in Verbindung zu bringen. Vielleicht, ich kann das nicht entscheiden, bin ich in einigen Dingen zu etwas gelangt, das wie eine schöne Blüte wirkt? Oder zu einem Geschaffenen, das atmet. Oft ist mir das Wort eines Pariser Musikers in den Sinn gekommen, mit dem ich meine Stücke spielte, das Wort, in meiner Musik sei ein Atem.

Jener Musiker, der leidenschaftlich und intensiv spielte, hatte in mir während meiner Pariser Zeit, zu Beginn der dreissiger Jahre, das Gefühl der Verantwortlichkeit bei meinem Tun geweckt. Er war es, der mir sagte, ich müsste mit meinen Dingen, die doch nur ganz für die private Sphäre geschrieben waren, vor die Öffentlichkeit treten. Das geschah denn auch, als ich ein Stück für zwei Klaviere dem «Basler Musikkredit» vorlegte, der es aufführen liess, ein Stück, das in der Folge sehr oft gegeben wurde, das ich selber mit dem Pianisten Niklaus Aeschbacher auf eine Schallplatte einspielte, und das ich mit einer Basler Pianistin, Marie-Jenny Lotz, im, nochmals sei es gesagt, trefflichen alten Lenzburger Gemeindesaal spielte, ein Stück, das durch seine stampfenden Rhythmen die Hörer ziemlich erschreckte. Wie konnte ein so sanfter lenksamer Mensch so barbarisch wilde Sachen schreiben! Immerhin, die Zuhörer zeigten sich am Schluss recht animiert, und Minna von Greyerz als die temperamentvollste Hörerin schrie ein Bravo in den Saal.

Wann ist eine Komposition beendet? Wann kann ich den doppelten Schlussstrich ziehen? So oft war er schon gezogen und erwies sich als Irrtum. Einmal muss es sein. Dann, wenn ich glaube, ein Stück gemäss meinem Wunsch nach logischem Bau zusammengefügt zu haben. Handelt es sich um ein Klavier- oder Cembalostück, um Kammermusikalisches, dann ist der Schritt nicht so gross bis zum wirklichen Abschluss. Beim Klavier- oder Cembalostück liegt die Arbeit ohnehin geschlossen vor mir, denn ich habe sie so geschrieben, wie sie zu spielen ist. Kommt ein weiteres Instrument hinzu oder mehrere, dann sind die andern Stimmen gemäss dem Klavierauszug, den ich immer zuerst als Grundlage beende, auszuschreiben, etwa bei jenem in Paris uraufgeführten Quintett für Flöte, zwei Violinen, Violoncell und Cembalo, oder beim Bläserquintett. Das sind vergleichsweise einfache Beispiele, auch wenn sie ihre eigenen Probleme haben.

Ich bin auch in dieser Hinsicht traditionell, als ich nicht versuche, den Instrumenten spieltechnisch neue Wege zu weisen. Ich möchte nicht gegen das Instrument schreiben, sondern für das Instrument. Da können sich etliche Schwierigkeiten ergeben. Ein so äusserst gewandter Komponist wie Hindemith bin ich keineswegs, der alle Instrumente selber spielte und sich sogar mit Leichtigkeit auch auf kaum mehr gebräuchlichen Instrumenten des Mittelalters zurecht fand und auf einem Trumscheit oder einem Zink spielen konnte. Er war ein Idealfall unter Komponisten. Andere spielen vielleicht Klavier, andere ein Streichinstrument, manche finden den Weg nur über das Studium der Musikliteratur. Ich spiele nur Klavier, spielte Cembalo (und auch dies nur nach eigenen Studien, wiewohl die Wiederentdeckerin dieses wunderbaren Instruments, Wanda Landowska, mich zu einem regulären Studium bekehren wollte, dies immer, wenn ich sie in ihrem Haus in Saint Leu la Forêt in der Banlieue von Paris aufsuchte), spielte, noch weniger schulgerecht, Orgel. Alles andere musste ich mir aneignen durch das Studium von Partituren. Wenn es um solistisch mitwirkende Instrumente ging, probierte ich Streicher- oder Bläserstimmen mit den betreffenden Solisten aus und änderte, wenn bestimmte Stellen grifftechnisch schwierig oder unmöglich waren. Man muss wissen, dass die Oboe in der tiefen Lage dick und quäkend klingt (schon Frank Martin hatte mich darauf hingewiesen, dass sie in der Tiefe «cornuant» töne). Bei meiner «Schlossbildermusik» gibt es gegen den Schluss der «Kindergesellschaft» eine Passage, die bei der Oboe in der Tiefe beginnt. Ich ahnte, dass sie unbequem liegen müsse, und befragte den Oboisten deswegen. Er pflichtete mir bei, sie sei schwer, doch spielbar. So liess ich sie denn, und Vincent, Schüler des grössten unserer Oboenvirtuosen, Heinz Holliger, gab die unbequeme Stelle, wie wenn sie das Selbstverständlichste der Welt wäre. Beim Bläserquintett wird auch der Klarinette, dem Horn und Fagott einiges zugemutet. Die Bläser aus dem Welschland lernte ich bei den Musik-Idealisten Peter und Doris Walser kennen. Die fünf führten das Stück auf, wobei sie sich in keinem Takt anmerken liessen, dass mehrere Hürden zu übersteigen waren, namentlich in atemtechnischer Hinsicht.

Das sind Erfahrungen, die ich schon gemacht hatte, als ich für den Genfer Concours das Pflichtstück für Oboe und Klavier zu schreiben hatte und das ich dann bei den Ausscheidungen von den sieben besten Oboisten siebenmal hintereinander zu hören bekam. Jeder Oboist spielte meine Variationen anders. Später schrieb ich das Oboenkonzert, das ich mit dem Solisten Egon Parolari durcharbeitete, das zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester unter Edmond de Stoutz auf Schallplatte aufgenommen wurde. Die Platte ist längst vergriffen. Zu meinem Leidwesen: Ich halte das Stück für eines meiner kennzeichnenden; eine Neuaufnahme ist ausschliesslich eine pekuniäre Angelegenheit. Es kamen die Flötensonate, das Flötenkonzert, es kam das Konzert für Violoncell, das ich in Paris, in der Wohnung von Harry Brown mit Klaus Heitz durchprobierte, vor allem im Hinblick auf die Doppelgriffe, auf die Pizzicati, die Anwendung des détaché oder des Legato. Unendlich sind solche Prüfungen im Detail. Ich lieferte wohl den Notentext, doch der Spieler muss ihn zum Klingen bringen. Viele Komponisten nehmen da gar keine Rücksicht und schreiben ihre Noten, wie ihre betreffende Muse sie ihnen eingibt. Der Ausübende hat sich dann mit diesem oft kaum realisierbaren Text herumzuschlagen.

Ich spreche von den Kollegen. Freunde unter den Komponisten hatte und habe ich wenige, Frank Martin, Alexander Tscherepnin, Conrad Beck, Gottfried von Einem. Ich stand auch mit Honegger und Martinu in freundschaftlicher Verbindung. Im Handwerklichen aber ist es seit dem Jahr 1948, da wir uns in Zürich kennenlernten, immer wieder Gottfried von Einem, mit dem ich greifbare Fragen erörtere. Mit Martin konnte ich es, solange er in der Schweiz lebte. Nach dem zweiten Krieg übersiedelte er nach Holland, und dann und wann beriet er mich noch auf brieflichem Weg. Wie aber ist’s mit Gottfried, mit dem ich mich über Professionelles ungehemmt auslassen kann? Seinerseits verhehlt er mir seine eigenen Nöte nicht. Gemeinsam stöhnen können wir alleweil über die Harfe.

Sie ist ein wunderbares Instrument, aber wehe dem, der für sie schreibt. Sie ist technisch gewissermassen im Mittelalter stehen geblieben, sie hat sieben Pedale, die theoretisch alle Töne der chromatischen Tonleiter verwirklichen lassen. Praktisch ist aber längst nicht alles möglich. Es gibt viele Orchesterwerke, in denen die Harfe stundenlang bei der einmal angeschlagenen Tonart verharrt; die Pedale werden kaum gebraucht. Aber ach, wenn Komponisten kommen, die die Geheimnisse der Pedale wenig kennen? Sie müssen sich von den betreffenden Solisten einweihen lassen. Und auch dann, wenn diese Solisten den armen Ignoranten noch Literatur von zunftmässigen Harfenspielern zeigen, bleiben wir Arme starr vor solch kabbalistischen Zeichen, die, ausser den Harfenisten, niemand zu lesen weiss. Die verrücktesten Zeichen finden sich in solchen Stücken von Zünftigen, die im übrigen, musikalisch, selten etwas taugen.

Emmy Hürlimann, mit der ich das «Morceau élégant» für Flöte und Harfe in jedem Ton durchging, für die ich auch das Konzert für Harfe und Streicher schrieb, bewies engelshafte Geduld im Durchprobieren, liess mich sogar in ihrem Harfenwald an eines der Instrumente sitzen und einzelne Töne zupfen oder Glissandi ausprobieren, etwas tief Faszinierendes. Bloss hätte ich doch richtig spielen wollen. Emmy beruhigte mich ein wenig, indem sie mir erklärte, auch ein Debussy und Ravel hätten ihre Harfenstimmen mit Fachleuten ausprobiert. Wir Nichtharfenisten werden uns eben nie restlos auskennen und sind auf Hilfe angewiesen. Nachdem ich unter Stöhnen das Harfenkonzert beendet hatte mit einem Finalsatz, in dem ich eine bestimmte Technik des geworfenen Glissandos anwandte, die mich ganz besessen machte, rief ich aus: Nie mehr Harfe! Mit dem Erfolg, dass Emmy Hürlimann bei mir ein Stück für zwei Harfen bestellte. Es trägt den Namen «Hortense, Hortense!», zu dem ich durch ein Bild der harfenspielenden Königin Hortense im Schloss Wildegg kam, ein Bild, unter dem ein Vierzeiler romantischen Gepräges steht. Entsprechend nimmt das Stück auch Wendungen der Romantik auf. Nun wird es durch Ursula Holliger und Catherine Eisenhoffer gespielt.

Wie immer nehmen es die Spieler dieses so ungeheuer schwierigen Instruments mit dem Text sehr genau, und die beiden Harfenistinnen, die es, nach der Uraufführung durch Emmy Hürlimann und Kitty Seitz in der Obern Kirche zu Zurzach, nun erstmals spielen, haben einige Fehler im Druck entdeckt, auch einige Unklarheiten. Hoffen wir, dass es rausche. Es wird ohne gelinde Verzweiflungen nicht abgehen, denn meine Schreibweise mit den vielen chromatischen Wechseln gibt den Spielern, nicht nur für die Finger, auch für die Füsse mit dem dauernden Pedalwechsel, heikle Aufgaben auf. Eine neue Harfe, auf der alles möglich ist, wurde konstruiert. Aber der, der sie spielt, kann auf keine alte mehr zurückkehren. Ob sich die neue je durchsetzt? Sehr fraglich.

Nicht nur über die Harfe und ihre Tücken (hier wäre das Wort Arkanum weit eher angebracht, da nur Harfenisten um dies Geheimnis wissen) habe ich mich mit Gottfried unterhalten. Wir haben uns durch Jahre hin unsere Arbeiten vorgespielt. Alles, was er in Zürich an der Aurorastrasse im Haus der uns befreundeten Charlotte Bareiss schrieb, lernte ich kennen. Während langer Zeit schrieb er ausschliesslich in Zürich. Die Opern «Der Prozess» und «Der Zerrissene» waren hier entstanden, zudem Sinfonisches, Kammermusikalisches und Vokales. Meinerseits zeigte ich ihm meine Stücke. Namentlich beim Klavierkonzert Nr. 2 und bei den Gesängen für Tenor und Orchester gab er mir Hinweise im Instrumentationstechnischen, einem Métier, das er seinerseits bei dem Riesenkönner Boris Blacher in Berlin erworben hatte. Einer der letzten Schüler von Blacher war der Aarauer Jean Jacques Dünki, der kürzlich beim Schönberg-Wettbewerb den ersten Preis gewann und der auf einer Schallplatte der Marke Aloiv meine Sonate Nr. 4 für Klavier eingespielt hat.

Eine bestimmte orchestrale Färbung bei meinem zweiten Klavierkonzert geht auf die Anregung von Gottfried zurück. Im langsamen Satz hatte ich eine Orchesterbegleitung mit Streichern und Bläsern vorgesehen. Gottfried aber riet mir, den Eintritt der Streicher so weit als möglich hinauszuschieben. So sind zuerst nur die verschiedenen Bläser zu hören. Der späte Einsatz der Streicher, namentlich in tiefen Lagen, ist denn auch höchst überraschend, wirkt neu und unverbraucht.

Es ist kein einfaches Handwerk, die musikalische Komposition, von der viele glauben, sie werde einem eingegeben, geschenkt. Sie besteht aus lauter Arbeit, nochmals sei es gesagt, einer Arbeit, die durch den Zwang eines Auftrages nie eingeschränkt wird. Auch dies eine irrige Meinung: Auftrag und festgesetzte Zeit des Ablieferns könne einen hemmen. Im Gegenteil, für mich sind Auftrag und Lieferfrist (ein Wort aus unserer Zeit) ein Ansporn. Ein sinfonisches Stück zu schreiben, eine Riesenarbeit, ins Blaue hinaus, ohne das Wissen, dass das Geschriebene je aufgeführt werde, würde ich kaum unternehmen. Man wird mich fragen: Wo ist da der Idealismus des Künstlers? Ich werde antworten: Würdet ihr ein Haus bauen, es mit einem Garten umgeben, einfach weil ihr Spass daran habt und ganz im Ungewissen, ob es je bewohnt wird? Ich habe die Kraft nicht dazu. Das Wissen darum, dann und dann muss das Stück beendet sein, dann und dann wird es dort durch dieses oder jenes Orchester unter diesem oder jenem Dirigenten gespielt, gibt mir den Mut, die Arbeit zu beginnen und sie unter Anspannung meiner Energien durchzuführen.

Für verschiedenste Gattungen von Musikstücken lagen Aufträge vor. Nicht für eine Oper. Auch auf diesem Gebiet gab es zwischen Gottfried und mir lange Gespräche. Eines Tages rief er mich aus Zürich an: Nun musst du unbedingt eine Oper machen. Am nächsten Tag rief er wieder an: Schreibe nie eine Oper! Da wusste ich’s denn. Ich bin keine primär dramatische Begabung wie er. Das einzige, was mich zeitweise verlockte, war der Einakter zu einem Text aus Goldoni oder Gozzi. Er hätte unbedingt im Venedig des 18. Jahrhunderts spielen müssen. Venedig hätte mich, vielleicht, zu Arien und Ensembles angeregt, und ich hätte mich der wiederum traditionellen Nummernoper verschrieben; das wusste, das weiss ich. Das Italienische habe ich unlängst im Tripelkonzert wachzurufen versucht, das Italienische auch bewusst in den Titel «dans le goût italien» einbezogen, und der Opernplan ist wohl darin vergegenwärtigt, wer weiss?

Keine Zukunftspläne bitte! Es genügt zu wissen, dass etwa sieben Aufträge vorliegen. Mit solcher Vision ist meine Werkstattgeschichte im übrigen nicht beendet. Ich habe noch einiges zu sagen zu der Strecke, die nach dem Abschluss eines Stückes, einer Partitur bis zur Wiedergabe zurückzulegen ist. Sie kann ebenso mühsam sein. Das Instrumentieren mag sehr schön sein. Ich beende eine Komposition im Klavierauszug bis ins Letzte, setze auch einzelne Instrumentalstimmen, wo sie mir ganz eindeutig klar erscheinen, in den Klavierauszug hinein. Das Instrumentieren ist eine Sache für sich, erfordert nochmals den ganzen Einsatz. Manchen Komponisten kommt es als Dessert vor. Halb und halb, würde ich sagen, sauer-süss. Es kann sehr heikle Fragen geben, über denen ich bei meiner langsamen Arbeitsweise stunden- und tagelang brüte. Wenn ich in früheren Partituren blättere, kann ich nur, einmal mehr, feststellen, dass ich weite Umwege zu machen hatte. Ich suche ja die Einfachheit. Da kommen nun die Fachleute und finden gerade das Frühe, Alte, Komplizierte interessant. Ist es nicht zum Verzweifeln?

Und nun beginnt die Tragikomödie mit den Kopisten. Die Orchesterstimmen schreibe ich nicht selber heraus. Das soll ein Fachmann tun. Zudem finden etliche Ausübende meine Handschrift nicht leserlich und ärgern sich über die blaue Tinte. Der Kopist stellt denn das Aufführungsmaterial her, er schreibt seinerseits mir Goldtinte oder weiss Gott mit welchen geheimnisvollen Mitteln, schreibt auf Transparente, die dann vervielfältigt werden. Ich habe, ehe er sie vervielfältigt, Korrektur zu lesen. Note um Note ist mit meiner Originalpartitur zu vergleichen, eine dicke Arbeit, und auch wenn ich genau zu kontrollieren glaube, bleiben Fehler stehen. Im Grund müssten nicht nur vier, sondern sechs oder acht Augen Korrektur lesen. Ich korrigiere mit roter Tinte oder rotem Kugelschreiber. Die Blätter sehen wie ein Schlachtfeld aus. Der Hersteller des Materials kennt diesen Kummer, der Komponist gleichfalls. So bereitet man sich gegenseitig Freude.

Meine lieben Filmer, Walter Marti und Reni Mertens, die Kameraleute Erich Langjahr und Urs Thoenen, die den Film mit dem so richtigen Titel «Héritage» gedreht haben, hielten die Szene des Notenkorrigierens fest im Wissen, welche wesentliche Arbeit es im Komponistendasein ausmacht. «Héritage», das Erbe, nennen sie ihren dokumentarisch wohl gültigen Film, in dem sich aber vor allem ein vielschichtiges Künstlerdasein mit rein künstlerischen Mitteln vergegenwärtigt, in wunderbaren, durchdachten Bildern. Ich glaube, dies an dieser Stelle sagen zu dürfen.

Ja, es ist ein Erbe, an dem ich trage, das mir unendlich viel Schönes beschied, doch ebenso viel Schwieriges. Es braucht Kraft, dies Erbe zu tragen und es gleichzeitig in schöpferische Arbeit umzuwandeln. Ich weiss, ich betone immer wieder: Ich bin im Künstlerischen kein Avantgardist, auch wenn ich Versuche in dieser und jener Richtung unternahm. Alles, was ich im Neuland hervorbrachte, scheint mir heute unzulänglich und problematisch, ich brauche nur einen Blick auf das Klavierkonzert Nr. 1, auf das Konzert für zwei Klaviere und Orchester zu werfen, auf die beiden Streichquartette. Das alles ist höchst kompliziert und steht ganz im Gegensatz zu der Einfachheit, die mir als gültige Aussage vorkommt und auf die hinzuzielen mich Rudolf Baumgartner so dringlich ermunterte.

Mit der Herstellung des Aufführungsmaterials ist die Arbeit des Komponisten im übrigen noch nicht abgeschlossen. Es wäre doch der Sinn, dass ein Musikstück nicht nur vom Besteller gespielt werde, sondern auch von andern Ausübenden. Es gibt Komponisten, die über den Elan verfügen, Kopien herstellen zu lassen, die sie dann nach links und rechts an Dirigenten oder Solisten senden. Versende ich hundert Kopien, dann wird das Stück vielleicht von einem, vielleicht von zweien aufgeführt. Meinerseits habe ich solchen Elan keineswegs. Ich bin also angewiesen auf einen Verleger. Ich habe das Glück, Verleger gefunden zu haben, um genau zu sein: Es sind deren neun, in der Schweiz, in Deutschland, in England, Bote & Bock, Schott, Modern, Gerig in Deutschland, Stainer & Bell in London, Hug, Henn, Eulenburg in der Schweiz, und nun muss ich festhalten, dass Amadeus in Winterthur sich um herrlichen Druck ganz besondere Verdienste erworben hat und erwirbt. Bernhard Päulers Leidenschaft ist es, wie zu alten und seligen Zeiten stechen zu lassen, was sonst niemand mehr macht. Aber er will eben den makellosen Stich und Druck, und es ist eine reine Freude, eines seiner Hefte in die Hand zu nehmen, sicher auch für den Ausübenden, ja, es muss ihm eine Wonne sein, nach solchen Texten zu spielen.

Als Beispiel eines Stichs und Drucks aus dem Amadeus-Verlag möge die erste Seite des Streicherstücks «Combray» dienen, von dem die handgeschriebenen Seiten der Klavierskizze, der Reinschrift des Klavierauszugs, der Reinschrift der Partitur abgebildet sind, also der Werdegang von der Schrift zum Druck verfolgt werden kann. Der Titel «Combray» bezieht sich auf den Ort Illiers-Combray in der Nähe von Chartres, der im Romanwerk «A la Recherche du Temps Perdu» von Proust eine wichtige Rolle spielt. Mit Proust habe ich mich seit meinem zwanzigsten Jahr beschäftigt, und ich lese den Roman immer wieder, habe auch das Haus besucht, in dem der junge Proust alljährlich seine Ferien verbrachte, jenes Haus in tiefster französischer Provinz, das mich zu dem Stück anregte.

Die Texte sind so schön, dass der Spieler auch die Musik schön finden muss. Oho! rufen nun wohl einige aus: Der nimmt den Mund voll. Egal, was die andern rufen. Ich muss meine Sache nur vor mir verantworten, und ich gebe mir eine Heidenmühe, meine Sache so gut als möglich zu machen, die Kunst des Komponierens mit all dem Ernst, dem Verantwortungsbewusstsein, die mir gegeben sind, auszuüben. Das Ergebnis zählt, nur das Ergebnis, das fertige Stück, von dem ich dann hoffe, dass es dem Hörer doch einiges Pläsier bereite. Und das Arkanum? Das innerste Rätsel? Ich kann nur noch einmal betonen: Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Jeder muss seinen eigenen Weg suchen und finden, hoffend, dass er bei der geheimnisvollen Mischung aus Unbewusstem und Bewusstem zu jener letzten Einfachheit und Klarheit gelange, die ich erreichen möchte. Nur das Lichte, das Eindeutige, das Heitere gilt. Dass es einen dunklen Untergrund hat, wer wollte dies leugnen?