Uli Däster, Aargauer Tagblatt, 8.9.1976

Es ist hochinteressant, die frühe Entwicklung des Malers, der sich so ganz dem Aquarell verschrieben hat, zu verfolgen: Wie er sich in einer lichten Landschaft die kristalline und doch stimmungshafte Aquarelltechnik Moilliets zu eigen macht, wie er den Picasso der Rosa-Periode oder Maurice Barraud paraphrasiert und damit neben vereinzelten erdig-dunklen, zugleich kostbar und melancholisch wirkenden Blättern jener «joie de vivre» französischer Art präludiert, die bis auf den heutigen Tag das augenfälligste Merkmal von Miegs allem Grüblerischen und Schwerblütigen abholden Malerei geblieben ist. Aber die Ausstellung ist durchaus nicht etwa auf das sozusagen historisch Interessante beschränkt. Es sind da ganze Gruppen von Bildern aus jenen dreissiger Jahren, die Mieg rückblickend selbst seine «Matisse-Zeit», seine «Bonnard-Zeit» nennt. In der Tat finden wir da die hart konturierte Flächigkeit, den spürbar bewussten Formwillen des einen und daneben den atmosphärischen Duft und die differenzierteste Farbigkeit des andern. Aber die mit ironischem Understatement gebrauchten «Epoche»-Bezeichnungen weisen allenfalls auf Tendenzen hin. Mieg ist hier schon durchaus selbständig, und einige dieser Aquarelle dürfen wohl zu den meisterlichsten gezählt werden, die wir von seiner Hand kennen. [Zur Malerei des 70jährigen:] Geblieben ist die Spontaneität, die Frische und Leuchtkraft der Farben, aber all dies gesteigert vom intimeren Charakter des Frühwerks zu einer geradezu plakativen Intensität. Farbenzusammenstllung und Formgebung sind in den älteren Bildern vergleichsweise zurückhaltend; jetzt scheinen starke Kontraste angestrebt, und in der «Zeichnung» herrscht scheinbar eine souveräne Unbekümmertheit, tatsächlich ist aber das Kompositorische sicher gelöst, allerdings nicht durchwegs im Sinne von Symmetrie und Harmonie, sondern ab und zu auch durch provokante Kühnheiten. An Motiven finden sich, neben zwei kleineren Landschaften und einem Interieur, vorwiegend Blumen- und Früchtestücke, wie sie - in Kombination und Auseinandersetzung mit einem kräftigen, neuerdings wieder meist einfarbigen Hintergrund - für Mieg immer wieder Anlass zu Farbfesten gewesen sind.