Karikaturen

Dass Peter Mieg, der Komponist und Maler, immer auch zeichnete, wussten die wenigsten. Dass neben den Architektur- und Landschaftszeichnungen auch viele Karikaturen entstanden, wusste erst recht niemand. Nur einmal zeigte er sie in der Öffentlichkeit, 1979 in der Galerie im Trudelhaus Baden. Sonst schliefen diese Zeichnungen «hinter einer Dornröschenhecke», wie sich Peter Mieg ausdrückte. «Eigentlich müssten diese Zeichnungen mit der Tintenfeder, mit den entsprechenden Nüancen von Hell und Dunkel, auch mit den lavierten Stellen als Farbzeichnungen reproduziert werden, was vielleicht dereinst nach hundert Jahren geschieht.» 


Les Grâces de chez Rumpelmayer
In seiner Autobiographie erzählt Peter Mieg die Umstände, die im Sommer 1949 zu Salon de thé führten: «Ich war auch eines Nachmittags wieder bei Rumpelmayer, dem Sprüngli von Paris, der indessen den Amerikanerinnen vorbehalten zu sein schien, die alle Thésalons mit einem Geschrei erfüllten, welches das Geschrei jeder Volière in den Schatten stellte. Die Impressionen der Schokolade oder Tee trinkenden und Törtchen essenden Amerikanerinnen fanden ihren Niederschlag in dem Album A. Schwarz, das ich während einer Gürtelrose vollzeichnete. Les Grâces de chez Rumpelmayer heisst die Folge von ganz aus der Linie lebenden, schauderhaften und irren Zeichnungen, die wohl die beste Therapie gegen jene merkwürdig Krankheit waren [...]. Ich zeichnete täglich einige dieser figürlichen Szenen. Einmal aber gelangte ich bis auf neun Blätter, und da rief ich nachts 22 Uhr meinen lieben Arzt Fritz Meyer an und sagte ihm, ich sei nun nach diesen neun Blättern völlig verrückt. Er kam herbei, besah sich den Schrecken und schlug vor, ein Glas Vermouth zu trinken; und dann würde ich beruhigt einschlafen. Ein herrlicher Rat, und so einfach.»

 
 
 



Miss Marple
Peter Mieg zeichnete seine Karikaturen «gleichsam schubweise, gemäss den Themen, die sich aus dem Erlebten boten». Scheinbar inspirierten ihn englischsprechende Damen, denn in den 70er Jahren «kam Miss Marple, die Detektivin, dargestellt durch Margaret Rutherford mit dem siebenfachen Doppelkinn. Auch sie erfuhr massenweise zeichnerische Darstellung auf grünen und rosa Blättern.»



Karikaturen von Peter Mieg: Album Schwarz und Miss Marple

Ganz am Anfang stand ein schwarz eingebundenes Buch mit leeren Seiten, das Peter Mieg in die Hände fiel. Auf dem Umschlag in Goldprägung «A. Schwarz». Obwohl Mieg nicht wusste, was er damit anfangen sollte, liess er es vorsichtshalber vom Apotheker Jahn desinfizieren. Jahre später erst, 1949, füllte er es als Therapie gegen eine Gürtelrose mit Karikaturen von Törtchen essenden und Tee trinkenden Amerikanerinnen im Sprüngli von Paris und nannte die Folge «Les Grâces de chez Rumpelmayer».

In den 70er Jahren keimte dann seine Liebe zu Agatha Christie und ihrer unsterblichen Miss Marple. Er entwendete seinen Neffen rosa und grünes Zeichenpapier, steuerte eigenes weisses bei und füllte wieder Seite um Seite, diesmal mit dem Faltenwurf von Doppelkinn und Tränensäcken der Schauspielerin Margret Rutherford, die in vielen Verfilmungen die Meisterdetektivin dargestellt hatte.

Aus all diesen Blättern hat die Peter Mieg-Stiftung eine Auswahl zusammengestellt und sie auf entsprechendem farblichem Hintergrund in vier – selbstverständlich schwarz gebundenen – Heften reproduziert. Drei dieser Hefte sind Miss Marple gewidmet, das vierte hält die Impressionen aus dem Café Rumpelmayer in Paris fest, während ein fünftes Heft sechs zwischen 1936 und 1978 entstandene skurrile Geschichten vereinigt, in denen Mieg nicht nur pointiert über wohlbeleibte Liebhaber oder allzu menschlich pikierte Hexenmeister sinniert, sondern auch seine Projekt gebliebene Krimi-Oper vorstellt, deren erste und letzte Szene die von ihm verehrte Agatha Christie in der Badewanne gezeigt hätte, wie sie dampfumwabert sich den nächsten Mord zurechtlegt... «Nach dem Lesen und dem Betrachten all dieser Skurrilitäten, Maskeraden und Inszenierungen wird man wahrscheinlich auch in Peter Miegs Musik den ironischen Unterton immer wieder heraushören, zum Beispiel in der hemmungslosen, aber doch kunstvoll angelegten Kombination klassizistischer, romantischer und zeitgenössischer Elemente» (Max Favre im Bund) Das Album Schwarz zeigt eine nahezu unbekannte Seite von Peter Mieg. Dass der Komponist und Maler immer auch zeichnete, wussten die wenigsten. Dass neben den Architektur- und Landschaftszeichnungen auch viele Karikaturen entstanden, wusste erst recht niemand. Nur einmal zeigte er sie in der Öffentlichkeit, 1979 in der Galerie im Trudelhaus Baden. Sonst schliefen diese Zeichnungen «hinter einer Dornröschenhecke», wie sich Peter Mieg ausdrückte. «Eigentlich müssten diese Zeichnungen mit der Tintenfeder, mit den entsprechenden Nüancen von Hell und Dunkel, auch mit den lavierten Stellen als Farbzeichnungen reproduziert werden, was vielleicht dereinst nach hundert Jahren geschieht.» Mit dem Album Schwarz wurde schon etwas früher diesem Wunsch entsprochen. Von einer «bibliophil gestalteten Ausgabe» sprach das Aargauer, von einem «delikaten Leckerbissen» das Badener Tagblatt. Denn wie es Hans Maurer im Badener Tagblatt formulierte das Album Schwarz «erschliesst in Wort und Bild eine weitgehend verdeckte Seite des Künstlers Mieg, die aber integral zu seinem Wesen gehört: der Sinn für die dunklen, phantastischen und spielerischen Elemente des menschlichen Lebens, voller Überraschungen und Hintergründigkeiten. Der Erzähler und Karikaturist Mieg als einsame Köstlichkeit in der aargauischen Literatur und bildenden Kunst».